Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Anstaltsleiter,
liebe Insassen!
Wir haben uns heute hier versammelt, um die langersehnte Entlassung aus
diesem Hause zu feiern. Nach 9, 10, teilweise auch 11 Jahren verlassen
wir als mündige Bürger diese Lehranstalt in dem beruhigenden
Bewußtsein, für unser kommendes Leben auf's Beste
gerüstet zu sein.
Wir haben beispielsweise gelernt, daß Behinderte ganz normale
Menschen sind, obwohl die Schulleitung diesbezüglich seit der
fünften Klasse Steine in den Weg gelegt hat. So könnte man
fast meinen, daß bei uns nicht die Behinderten integriert werden,
sondern die Integration behindert wird. Ein Exempel für solch
einen Stolperstein sind die fehlenden Maßnahmen der Schulleitung,
als die Behindertentaxen von der Stadt durch einen Sammelbus ersetzt
werden sollten, der den Behinderten 2-3 stündige Anfahrtswege
beschert hätte. Allein die Initiative der Taxifahrer und der
Eltern hat dies zu verhindern' gewußt. Daß die Behinderten
trotz der Pausenordnung, die sie vom Lichthof fernhielt, nicht nur mit
ihren Betreuern in Kontakt kamen, sondern sich dennoch mit ihren
Klassenkameraden anfreundeten, ist der Verdienst von Frau Schwarzbauer,
der dafür das Bundesschulverdienstkreuz gebühren würde.
Nach 15- jährigem Bestehen dieser Anstalt sollte als weitere
Besonderheit die zentrale Erprobung audiovisueller Medien im Unterricht
gewürdigt werden: Die optimale Nutzung der mannigfaltig
vorhandenen technischen Möglichkeiten wird aber leider durch
mangelhafte Unterweisung der Lehrkräfte im Umgang mit dem
Gerätepark sowie durch fehlende Vorbereitungsstunden erfolgreich
verhindert.
Womit wurden wir noch konfrontiert? Die Bildung von Kursen in der 12.
und 13. Jahrgangsstufe, der Kollegstufe, ermöglichte entgegen
allgemeinen Vermutungen ein besseres Kennenlernen der Klassen jeweils
untereinander. Glücklicherweise kamen wir noch in den Genuß
der alten Schulordnung, die uns eine freiere Fächerwahl und
schülerfreundlichere Punktehürden zugestand. Obwohl der
Dschungel des gesamten Systems der Kollegstufe für uns
Normalschüler schwer durchschaubar ist, führte uns mit meist
sicherer Hand unser Kollegstufenbetreuer Herr Hierl ans Ziel, dem an
dieser Stelle dafür herzlich gedankt sei.
Eine alte Tradition gebietet es seit jeher, zum Schulabschluß
eine Klassenfahrt zu unternehmen, die bei uns allerdings in die 11.
Jahrgangsstufe vorverlegt wurde. Die Freude über den gelungenen
Aufenthalt in der schönen Renaissance-Stadt Florenz wurde jedoch
von den Reaktionen des Direktorats auf eine Geburtstagsfeier, bei der
auch mit alkoholischen Getränken trotz eines Verbots
angestoßen wurde, geschmälert. Wer im folgenden
Einzelverhör auf die fröhliche Frage " Na, auch
mitgenuckelt?''- Zitat Ende mit ja antwortete, erhielt einen
verschärften- Verweis, wobei uns seitens der Schulleitung
mitgeteilt wurde, daß uns noch rigorosere Maßnahmen wie
Aussperrung von der Kollegstufe und Streichung aller Wandertage erspart
blieben.
ln bester Erinnerung werden uns auch die zahlreichen
Schulveranstaltungen bleiben, wie die erfolgreichen
Theateraufführungen, das Schulfest und der Weihnachtsbazar, der
sich letztes Jahr in einer wundersamen Metamorphose über das
Zwischenstadium eines Osterfestes zum Frühlingsfest mauserte.
Besonders die Theateraufführungen waren immer ein Genuß,
obwohl die Probenarbeiten oft bis spät in die Nacht oder am
Wochenende erfolgen mussten, um die Mitwirkenden nicht an der Teilnahme
am Unterricht zu hindern. Beim Schlussapplaus war Herr Dr. Bergmann
immer so freundlich, das Lob für die schauspielerischen Leistungen
entgegenzunehmen.
Fehlen werden uns auch seine allmorgendlichen Durchsagen, bei denen er
in seiner sprachlich ausgefeilten Form eines Germanisten im Umgang mit
Stilfiguren wie Anapher – Beginn mehrerer Teilsätze mit dem
gleichen Wort „ääh“ -, Variatio – abwechselnder Gebrauch der
sinngemäß ähnlichen Wörter wie „äh“, „ehem“
oder „öh“ – und Ellipse - Auslassung eines nicht unbedingt
nötigen Wortes, zum Beispiel des Subjekts oder des Prädikats
eines Satzes oder beider - jede Deutschlehrkraft mit Hochachtung und
Ehrfurcht erfüllt. Aber mir ist natürlich klar, dass es Herr
Dr. Bergmann hier mit Heinrich von Kleist hält, der sagt: " Wenn
eine Vorstellung verworren ausgedrückt wird, so folgt der
Schluß noch gar nicht, daß sie auch verworren gedacht
worden sei; vielmehr könnte es leicht sein, daß die
verworrenst ausgedrückten gerade am deutlichsten gedacht werden.“
Schließlich möchte ich mich im Namen aller Kollegiaten bei
den übrigen Lehrern bedanken, allen voran bei Herrn Vogel, der in
seiner Akribie selbst Verspätungen von null Minuten zu
bemängeln wußte. Seine Eigenschaft als Türsteher
vermittelte und fast das Gefühl, nicht das Dante – Gymnasium,
sondern eine Münchner Nobeldiskothek zu besuchen. Wir danken auch
Herrn Dr. Landshammer, der leider nicht anwesend sein kann, für
sein langjähriges persönliches Engagement insbesondere
für die Schauspielgruppe. Das Frau Pötke und Herr
Göpfert diese Aufgabe erfolgreich übernommen haben, sei auch
ihnen gedankt.
Doch nicht nur die Lehrer haben Lob verdient: Erwähnt sei hier
Herr Beilhardt, der nach langem Dienst von Herrn Reinhardt
abgelöst wurde. Wir bedanken uns auch beim Technik-Chef Herrn
Kempf, der nicht nur in der Videozentrale eine angenehme
Athmosphäre schuf, und bei seinem Nachfolger Herrn Forster, wenn
er uns auch mit einem etwas unscharfen Abiturphoto verabschiedete.
Und was bleibt? Es wurden viele persönliche Kontakte während der Schulzeit geknüpft, wobei es jetzt uns obliegt, diese Freundschaften weiterhin zu pflegen. Man könnte auch noch viel Kritik an den Lehrinhalten üben, doch soll das an dieser Stelle unterbleiben - das meiste ist ja wohl schon vergessen. Und vielleicht bewahrheitet sich aus den guten und schlechten -Erfahrungen unserer Schulzeit heraus der Satz Senecas: "non scholae, sed vitae discimus“